PD Dr. phil. habil. KARIN PETERS Romanisches Seminar der JGU Mainz
PD Dr. phil. habil. KARIN PETERS Romanisches Seminar der JGU Mainz

Aktuelle Kurse

Sommersemester 2023

 

 

Spektakelkultur: Anthropologie und/als Theater (Vorlesung Kulturwissenschaft, Französisch/Spanisch)

 

Das Rollenspiel ist vielleicht eine der ältesten menschlichen Kulturformen schlechthin. Es umfasst Elemente der Praxis, Mimesis und Poetik, berührt so zentrale Fragen wie Subjektivität, Affektivität, Ritualität oder Gemeinschaft, ja das Menschsein überhaupt. Im Bereich der Literaturwissenschaft hat Wolfgang Iser (Das Fiktive und das Imaginäre, 1991) das Forschungsfeld der Literarischen Anthropologie deshalb unter anderem damit aus der Wiege gehoben, dass er das Fingieren und die Einübung in Fiktionalität, die das Spiel mit Masken erlaubt, als kulturhistorische Wasserscheide der westlichen Zivilisation auffasst. René Girard wiederum hat eine ganze Theorie der menschlichen Kultur aus der Nähe des Theaters zum rituellen Opfer entwickelt (La violence et le sacré, 1972). Und schon bei Sigmund Freud, der zeitlebens eine große Vorliebe für die Werke Shakespeares pflegte, wird die analytische Modellierung psychischer Prozesse (zum Beispiel als ‚Privattheater‘ der Hysterikerin) in die Sprache des Spektakels übersetzt. Historisch kann man jedoch noch weiter zurückgehen: Von der Predigt des christlichen Mittelalters über das Hofzeremoniell der Frühen Neuzeit, das Gefühlsspektakel der Aufklärungsepoche, die bürgerliche Oper des 19. Jahrhunderts bis zu Gender-Performanz und Ich-Medialisierungen der Gegenwart sind immer wieder das Spektakel und die theatrale Darstellung zentral, um Anthropologie und Gesellschaftstheorie der jeweiligen Epoche zu begreifen. Die Vorlesung wird deshalb aus kulturwissenschaftlicher Perspektive ebenfalls unterschiedliche kulturelle Objektivierungsformen von Anthropologie und/als Theater der Romania in den Blick nehmen.

 

 

Entromantisierte Romantik und bürgerliche Kultur: Baudelaire und Flaubert (Proseminar Französisch)

 

In seiner klassischen Studie zur Struktur der modernen Lyrik (1956) resümiert Hugo Friedrich: „Modernes Dichten ist entromantisierte Romantik.“ Er bezieht sich an dieser Stelle auf Charles Baudelaire, der die „ewigen Wundmale“ der Romantik als Fluch und Segen zugleich begriffen hatte. Wir wollen uns dieser Diagnose anschließen und sie poetologisch, diskursgeschichtlich und historisch am Werk zweier moderner Autoren konkretisieren. Beginnend mit der Lyrik Baudelaires (Vers- und Prosagedichte) soll der Zusammenhang zwischen poetischer Sprache, (post-)romantischer Subjektivität und prosaischer, bürgerlicher Welt in den Mittelpunkt kommen, der zuletzt auch von Franco Moretti (The Bourgeois. Between History and Literature, 2013) und Jacques Rancière (Politique de la littérature, 2007) literaturtheoretisch formuliert worden ist. Letzterer sieht gar den modernen Begriff von ‚Literatur‘ schlechthin im demokratisch-prosaischen Stil Gustave Flauberts verkörpert. Dessen Éducation sentimentale (1869) steht daher im zweiten Teil des Seminars im Fokus, anhand dessen wir exemplarisch das dissoziierte Fortleben romantischer Themen, Topoi und Poetiken untersuchen werden.

 

 

La España vacía: Topographie und Topoi in Literatur und Film der Gegenwart (Proseminar Spanisch)

 

Spanien ist, so die These von Sergio del Molino in seinem Essay La España vacía. Viaje por un país que nunca fue (2016), seit jeher eine Kultur der Städte gewesen, sowohl auf der iberischen Halbinsel als auch in der Neuen Welt. Das Land jenseits der Städte ist somit das kulturwissenschaftlich gedachte leere Andere der Kultur. In der Tat ist das ländliche Spanien schon seit dem Mittelalter Imaginationsfläche und Fluchtort, wenn es nach dem Topos des antiken beatus ille als Ziel der Stadtflucht zivilisationsmüder Städter verklärt wurde. In der Literatur wiederum boten die Gattungen der Bukolik und Idylle den entsprechenden Rahmen, um dieser alabanza de aldea Raum zu geben.

 

Im spätkapitalistischen und durch ökonomische und politische Krisen gebeutelten 21. Jahrhundert jedoch ist diese Idealisierung scheinbar einer dysphorischen literarischen und cineastischen Darstellung des ländlichen, ‚leeren‘ Spanien gewichen. Dort werden die fatalen Folgen von Globalisierung, Generationenkonflikt und Wirtschaftskrise besonders sichtbar. Dies spiegeln vor allem die Werke jener jungen Generation von Schriftsteller:innen und Filmemacher:innen, die der Generación Cero zugerechnet werden können und teils mit den Indignados auf die Straße gingen, weil sie sich durch eine zusehende Prekarisierung bedroht sahen. Wir wollen uns deshalb im Seminar der Kontinuität topographischer Topik anhand von drei aktuellen Erzähltexten (Elena Medel: Las maravillas, 2020; Irene Sola: Canto Yo Y la Montaña Baila, 2020; Sara Mesa: Un amor, 2020) und einem Film (Stefan Butzmühlen / Cristina Diz: Caballeros insomnes, 2013) widmen, die alle auf ihre Art versuchen, die ‚Leere‘ des ländlichen Spanien als mehr (oder minder) tragische Konstante eines in sich gespaltenen Spanien poetisch zu fassen.

 

 

Einführung in die spanische Literaturwissenschaft

 

Das Proseminar bietet eine Einführung in die theoretischen und methodischen Grundlagen der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Literatur. Anhand ausgewählter Texte verschiedener Epochen und Strömungen der spanischsprachigen Literaturen Hispanoamerikas werden unterschiedliche Verfahren der Analyse lyrischer, dramatischer und narrativer Texte erprobt und eingeübt. Unverzichtbare Basis der Textanalysen sind die Betrachtungsmodelle der Hermeneutik und der Semiotik. Darüber hinaus sollen Ansätze der neueren Literaturtheorie (Strukturalismus vs. Poststrukturalismus, Dekonstruktion, Gender und Postcolonial Studies) Anwendung finden. Besonderes Augenmerk richtet sich in diesem Zusammenhang auf die Beschreibungskonzepte Intertextualität, Intermedialität sowie Interkulturalität, die den literarischen Text als signifikante Praxis eines komplexen 'Zwischen' von Zeichensystemen und Diskursstrukturen ausweisen.  

 

Hinweis: Im Parallelkurs werden Texte des spanischen Siglo de Oro im Mittelpunkt stehen, während wir uns auf hispanoamerikanische Autor:innen konzentrieren (Sor Juana Inés de la Cruz – Neuspanien/Mexiko, Jorge Luís Borges – Argentinien, Roberto Bolaño – Chile, Juan Rulfo – Mexiko, Gertrudis Gómez de Avellaneda – Kuba).

Aktuelle Vorträge:

 

"Neapolitanisches Exil und hegemoniale Mythen: Das Siglo de Oro aus transnationaler Perspektive"

 

Workshop Transnationale Literaturwissenschaft

JGU Mainz

14. Januar 2023, 9 Uhr (P 101)

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