Prof. Dr. habil. KARIN PETERS Abteilung für Romanistik der Universität Bonn
Prof. Dr. habil. KARIN PETERS Abteilung für Romanistikder Universität Bonn

Aktuelle Kurse

Sommersemester 2025

 

 

(Lateinamerikanische) Lyrik lesen (Vorlesung)

 

Jonathan Culler zufolge ist das „Lyrische”, das es beim Lesen eines Gedichts zu kommentieren gilt, eine poetische Tradition, weniger ein versteckter Sinn, den der Leser hermeneutisch auszugraben hat (Theory of the Lyric, 2015). Deshalb beschäftigen wir uns in dieser Vorlesung mit einem literarhistorischen Abriss der lateinamerikanischen Lyrik vom Barock bis zur Gegenwart. In Einzellektüren exemplarischer Texte sollen Entwicklungslinien und Themen in ihrer Synchronie und Diachronie besprochen werden, vor allem in Bezug auf die spanischen und französischen Vorbilder, die lateinamerikanische Autor:innen immer wieder zum Modell des eigenen Schreibens machen. Dabei werden unterschiedliche methodologische Ansätze der Lyrikanalyse und Hermeneutik vorgestellt und diskutiert.

 

Das Lesen selbst – ob hermeneutisch, strukturalistisch, dekonstruktivistisch oder politisch – kommt dadurch in den Fokus. Terry Eagleton hat damit ein ganzes Buch überschrieben: How to Read a Poem (2007). Ihm zufolge ist das Lesen von Lyrik eine nachgerade vergessene Kunst. Aber nicht etwa, weil uns der dazugehörige Bildungskanon der ‚poetischen Tradition‘ verloren gegangen sei. Sondern weil in Schule und Universität heute allzu oft ein zu großes Augenmerk auf die Botschaft von lyrischen Texten gelegt würde, anstatt Sensibilität für ihre literarische Sprache, deren Ton, Pitch, Rhythmus oder Textur, zu vermitteln. Um an der Tradition des etablierten Kanons in gewisser Hinsicht ‚vorbei‘ zu lesen, ohne Lyrik mit dem Ausdruck individueller Identitäten gleichzusetzen, werden wir gemeinsam ein besonderes Augenmerk darauf legen, in unseren Lektüresitzungen kanonisierte männliche Autoren der lateinamerikanischen Literaturgeschichte (z.B. Rubén Darío, José Martí, César Vallejo, Lezama Lima) mit weiblichen Stimmen zu konfrontieren (Sor Juana Inés de la Cruz, Ernestina de Champourcin, Delmira Agustini, Alfonsina Storni, Gabriela Mistral, Minerva Reynosa). Dabei soll diskutiert werden, inwiefern jedes Gedicht unabhängig von geographischer oder geschlechtlicher Herkunft eine mächtige Singularität der Sprache – sein eigenes Lexikon – entwirft und damit ein in sich abgeschlossenes Zeichensystem, das mehr ist als kognitiver oder emotionaler Ausdruck eines einzelnen Individuums.

 

Gertrudis Gómez de Avellaneda und der europäische Sentimentalismus (Hauptseminar Spanisch)

 

Gertrudis Gómez de Avellaneda (1814–1873), im 19. Jahrhundert das weibliche Gesicht der Romantik in spanischer Sprache, wird bis heute sowohl von iberischer als auch kubanischer Seite für nationale Literaturgeschichten in Beschlag genommen. Geboren auf Kuba als Tochter eines spanischen Marineoffiziers und einer kubanischen Kreolin verbrachte sie die längste Zeit ihres Lebens in Sevilla und Madrid, verkehrte mit den berühmtesten Künstlern der Zeit und feierte mit ihren Gedichten, Theaterstücken und Erzählungen große Erfolge. Nur ihr Liebesleben gilt als notorisch erfolglos, entsprechend stark rückt in ihren Texten die unglückliche Liebe als literarischer Topos in den Vordergrund – schon in jungen Jahren in einer in Briefform verfassten Autobiographie im Sinne eines Abschwörens von dem Versuch, Glück in der Liebe überhaupt noch finden zu wollen.

 

Dennoch wollen wir im Seminar die Gedichte, die Romane Sab (1841) über die tragische Liebe eines kubanischen Mulatten zu seiner weißen Herrin, Dos mujeres (1842) über ein Liebesdreieck auf spanischem Boden oder das Theaterstück Errores del corazón (1852) nicht autobiographisch deuten. Vielmehr wird das literarische Erbe des europäischen Sentimentalismus im Mittelpunkt stehen, das Avellaneda aus intensiver Lektüre insb. französischer Klassiker von Bernardin de Saint Pierre und Rousseau bis Chateaubriand sehr gut kannte. Ihre eigene, weibliche und lateinamerikanische Variante des Liebesideals, dessen Spuren noch weit in die Romantik und ihren melancholischen mal du siècle reichen, stellt immer wieder unter Beweis, dass der Anspruch auf Universalität des Fühlens und der Tugendmoral an Ausschlussprozessen leidet. Weder die Marginalisierten noch die Frauen können in der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts über die Emphase des Gefühls an einer idealen Gesellschaft partizipieren. Sie werden vielmehr immer wieder zu Opfern der Passion, des eigenen Willens zur abnegación, von gesellschaftlichen Zwänge oder ökonomischen Interessen. Damit treibt Avellaneda den europäischen Sentimentalismus und seinen Kerngedanken, dass aus der gefühlsgeleiteten Tugend der Individuen eine neue, ideale Gesellschaft entstehen kann, bis zum Abgrund des ironisch scheiternden Realismus, ohne selbst an diesem zu partizipieren. Ihre Texte sind immer noch Epiphanie und Apologie des hingebungsvollen Fühlens idealer Charaktere, führen dabei aber unweigerlich deren Erstarrung im Klischee oder der Lebensfalle vor Augen.

 

Baudelaires Sprachen der Gegenwart (Hauptseminar Französisch + Exkursion)

 

Charles Baudelaire gehört mit seinem Essay über „Le Peintre de la vie moderne“ zu einem der großen Exegeten der Moderne: Seine Formulierung von Gegenwart und Gegenwärtigkeit als Transitorisches im Widerstreit mit dem Ewigen wird bis heute zitiert. Er selbst hat über die eigene Gegenwart der Modernisierung von Paris, des Zweiten Kaiserreichs und seiner bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft nicht nur Gedichte und Prosagedichte verfasst, sondern auch zahlreiche Kunstkritiken und vor allem Briefe an Zeitgenossen. Aus diesen verschiedenen Quellen wollen wir ein Panorama der Sprachen der Gegenwart Baudelaires erarbeiten: im Kunstsalon, auf der Straße, in der Imagination. Zur Debatte steht, wie Gegenwart als Grund, Folie oder Hindernis des kreativen Prozesses und die Rolle des Künstlers inszeniert werden, der mit beiden Füßen in der Gesellschaft seiner Zeit verankert ist, aber wie so viele Figuren aus Baudelaires Texten aus seinem ästhetischen Höhenflug wie der Albatros oder der Schwan schmerzhaft wieder in die profane Realität zurückgestoßen wird.

 

Spanische Kulturgeschichte in Bildern (Ringvorlesung)

 

Im Rahmen der Ringvorlesung werden jede Woche neue Vortragende aus Bonn und von anderen deutschen und internationalen Universitäten Themen präsentieren, die einen kulturwissenschaftlichen Blick auf die Geschichte Spaniens werfen. Ausgehend von Bildzeugnissen aus Architektur, Malerei, Kino und Comic und in diachroner Perspektive vom Mittelalter bis zur Gegenwart lernen die Studierenden, landeskundliche Inhalte mit kulturwissenschaftlichen Methoden und der Analyse visueller Medien zu verbinden. Dabei soll ein spanisches visuelles Imaginäres und das ihm eigene visuelle Gedächtnis im Mittelpunkt stehen, z.B. anhand von Kirchenbauten zwischen maurischem Erbe und christlicher Hegemonie, Heiligenbildern im Widerstreit von Reformation und Gegenreformation, der visuellen Medialität des Barocktheaters, des Sozialrealismus von Murillo bis Goya oder Kinobildern zur Transición nach der Franco-Diktatur. 

 

Ergänzt wird das Programm durch eine neue Vorlesungsreihe der Bonner Romanistik in Kooperation mit der Filmwissenschaft: den "Bonn Lectures on Cultural Semiotics and Contemporary Media". Dieses Format legt den Schwerpunkt auf den Dialog zweier Vortragender, die von aktuellen kultursemiotischen Forschungsprojekten berichten und deren gesellschaftliche Relevanz mit dem Publikum diskutieren. Dort vorgestellte Themen jenseits der spanischen Kulturgeschichte werden durch die methodische Auseinandersetzung mit Bildmedien inhaltlich im Kurs verankert und im Zuge einer klausurvorbereitenden Abschlussbesprechung in der Gruppe diskutiert.

 

Die Veranstaltung findet wahlweise auf Deutsch, Spanisch oder Englisch statt.

 

Kolloquium für Doktorand*innen und Masterkandidat*innen 

 

Das Kolloquium ist als konstruktiver Raum für Diskussion gedacht, in dem Abschlussarbeiten oder Forschungsprojekte vorgestellt werden. Darüber hinaus einigt sich die Gruppe gemeinsam zu Beginn des Semesters auf eine ausgewählte Reihe kürzerer theoretischer Texte, die im Rahmen der Blocktermine besprochen werden sollen. Die zwei Oberthemen dieses Semesters lauten: „Klassiker der deutschen Romanistik” und „Geistesarbeit als Methode”.

 

Aktuelle Vorträge:

 

"Der europäische Mythos des Gefühlssubjekts in Gertrudis Gómez de Avellanedas Sab (1841)"
Universität Innsbruck

16. Mai 2025

 

"Amerikanischer Sentimentalismus zwischen Rassismus und Befreiung: Gertrudis Gómez de Avellaneda und das politische Imaginäre der kubanischen Kolonie"

Universität Kassel

1. Juli 2025

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© Karin Peters